Ja, mein letzter Eintrag ist eine gefühlte Ewigkeit her, auch für mich... die Zeit in Lima und Kolumbien schien mit neuen Massstäben gemessen und verflüchtigte sich zusehends. Vielleicht hing dies auch mit der sich nähernden Abreise und dem damit verbundenen Tatendrang-Lethargie-Ambivalenzgefühl - einer Mischung aus noch-nichts-gesehen-haben-ich-will-mehr, erfüllt-leer-sein und komplett-überwältigt-das-Glück-nicht-fassen-können - zusammen. Wie auch immer: Ich freue mich nun selber, die Reise fast einen Monat danach nochmals nachzuerleben und hoffe, meine Gedanken und Emotionen liefern genügend Stoff ;) ------------------------------------------------------------- Bis weit in den Nachmittag des Reisetages von Cusco nach Lima versorgte ich mich aufgrund der Magenverstimmung nur mit Tees und Wasser... die Reise verging glücklicherweise problemlos schnell, das Hostal liess sich dank Uber einfach finden und als ich mich nach zwei Siestastunden wieder bei Kräften fühlte, erkundete ich noch etwas den Stadtteil "Miraflores" und nahm ein Nachtessen zu mir, welches diesmal gottseidank drin blieb ;) Ein Schmuckstück von Miraflores war der "Parque del Amor", an der eindrücklichen Pazifikkliffküste, voller tiefgründiger Sprüche in Mosaikwänden, Liebesskulpturen und die ganze Szenerie begleitet vom herzerwärmenden Sonnenuntergangslicht.
Für den nächsten Tag hatte ich ein ziemlich straffes Programm geplant: 10-14 Uhr Walking-Tour, 15-18 Uhr Jamsession mit einem Freund von Max (der Instrumentenbastler aus São Paulo) und ab 19 Uhr Apéro mit Claudia, einer Kollegin von Seraina (Singfreundin aus dem Goccia-Chor). Doch bereits beim Aufstehen merkte ich, dass sich die Magengegend nicht wirklich über meine Pläne freute... trotzdem begab ich mich auf die Walking-Tour, vielleicht ein Fehlentscheid. Denn das anfängliche saure Aufstossen und die leichte Übelkeit verwandelten sich zusehends in krampfartige Schübe... mit dem Resultat, dass ich mich jeweils während den Gehpausen der Tour auf den Boden kauerte, nicht wirklich viel von den historischen Erzählungen mitbekam und sehnlichst auf Besserung hoffte. Zum Schluss der Tour gab es eine Pisco-Degustationsrunde und der Guide meinte, eine der vorhandenen Sorten wirke Wunder bei Magenproblemen. Ich liess mich begeistern und tatsächlich liessen die paar Tropfen Ethanol mich für einen Moment leichter fühlen. Ich schlenderte etwas durch das koloniale Regierungszentrum der Stadt und kaufte noch zwei kleine Panflöten, Kleidungsstücke und eine Hängematte ;)

Doch dann setzten die Krämpfe wieder ein, stärker als zuvor... schweren Herzens entschied ich mich, die Jamsession abzusagen und ging nach Hause. Dort versuchte ich den Knorz liegend auszukurieren, merkte aber, dass Chemie notwendig war, vor allem da ich am nächsten Tag um 10 Uhr den Flug nach Bogotá antreten durfte. So sagte ich auch das Treffen mit Claudia ab, wühlte mich durch meine Medibox, warf die Pillen ein und machte - ausser vom Bett ins Badezimmer - keinen Schritt mehr an dem Tag. Hab die Einnahmen dokumentiert ;) * 08 Uhr: 20 Tropfen Iberogast * 13 Uhr: 20 Tropfen Iberogast * 16 Uhr: 1 Tablette Riopan * 18 Uhr: 1 Tablette Pantoprazol HEXAL 40mg * 19 Uhr: 1 Tablette Amoxihexal 1000 * Panto & Amoxi danach 2 x täglich für 3 Tage weitergenommen Die Kombination aus allem schien zu wirken ;) Nach 16 Stunden Ausruhen und Kraft tanken machte ich mich auf den Weg in Richtung Flughafen. In der Luft überquerte ich zum ersten Mal auf meiner Reise den Äquator und war zufrieden, mich wieder auf der Nordhemisphäre zu wissen. In Bogotá angekommen durfte ich gleich mein eigenes Zimmer im Haus von Abelardo (nochmals ein Freund von Seraina) beziehen. Er war zum Zeitpunkt meiner Ankunft nicht zuhause, hinterlegte mir aber den Schlüssel bei einem Nachbarn und instruierte mich per WhatsApp feinsäuberlich bzgl. Anreise ;) ich war vom Vertrauen und der Grossherzigkeit angetan und freute mich, ihn kennenzulernen. Tatsächlich erwies sich die Chemie zwischen Abelardo und mir als sehr stimmig, wir hatten äusserst spannende Gespräche, voller Humor, Tiefgang und Gelassenheit. Sogar die gemeinsamen Spaziergänge mit seinen Hunden bereiteten mir viel Freude und wir unternahmen coole Dinge, wie z.B. Erste-Hilfe-Kurs im Schwimmbad inkl. Rettung von Dummies vom Boden des 5m-tiefen Beckens. Anstrengend! Atmung! Kälte! Peinliche Pflichtbadehosen! Aber Spass ;)

Bogotá (8 Mio. Einwohner, 2640 MüM) empfand ich als eine sehr vielseitige Stadt, voller Gegensätze: Saubere Innenstadt - zerzauste Stadtteile, überpünktliche Busse - verschlafene Verkäufer, frische Bergluft - röhrende Auspuffe, kulinarische Köstlichkeiten - dampfender Hundekot auf Gehsteigen, saunaheisse Sonnentage - eisige Bisen, karge Wolkenkratzer - buntleuchtende Graffitiwände, superschnelles 4G-Prepay-Internet - nervige Stromausfälle, pflichtbewusste Arbeiter - aufgebrachte Protestanten, endlosscheinende Ausbreitung - familiäres Dorfgefühl, düstere Weltuntergangsstimmung - erhellende Lichtspiele, stille Pärke - sprudelnde Strassenmusiker, ängstlichparanoide Einwohner - liebevollvertraute Begegnungen:

Die glänzenden Goldbilder stammen aus dem "Museo del Oro", einem einzigartigen Museum rundum Gold mit weltweiter Reputation. Ich traf Touristen, die den ganzen Tag darin verbrachten - bei mir wars etwas kürzer ;) Die für mich überwältigenden Aussichtsbilder stammen vom Berg Monserrate, dem Üetliberg von Bogotá. Man kann hochmarschieren, bei Nacht wird jedoch davon abgeraten (ich hatte das Dschungelpumabärerlebnis sowieso noch genug in den Knochen!) und dank Seilbahn ist der Besuch trotzdem möglich. Die Frau auf den Bildern heisst Maria Paula. Ich habe sie auf Machu Picchu kennengelernt und sie zeigte mir viele spannende Seiten der Stadt und führte mich an die nicht allzu touristischen Orte. Einen Tag widmete ich Zipaquirá, einem kleinen, einen Steinwurf von Bogotá entfernten Ort, der vor allem für seine "Catedral de Sal" bekannt ist. Ursprünglich als reine Salzmine (immer noch aktiv!) betrieben, ist über die Jahre eine regelrechte "Unterwelt" entstanden: Kreuzgang mit unterschiedlichen Salzkreuzen entlang Jesus' Lebensweg, Kathedrale mit dem grössten unterirdischen Kreuz (40m hoch, unten links auf dem Foto), Salzreplik von Michelangelos Gemälde "Die Erschaffung Adams" aus der Sixtinischen Kapelle, Einblicke in die Arbeit der Mineure, unnötige Lichtshows und sondtiger Touristenkram - aber alles in allem wirklich eindrücklich, im Wissen, dass dies alles von Menschenhand geschaffen wurde:

Quasi als Abschluss meiner Reise wollte ich mir noch etwas Sommersonnebadewannemeer gönnen - so als Kontrast zu aller rauen See im Süden des Kontinents und anstrengenden Bergtouren in den Anden - und die kolumbianische Historie half mir bei dem Vorhaben tatkräftig mit ;) denn die Insel "San Andrés" liegt vor Nicaragua mitten im karibischen Paradies, gehört aber zum Staatsgebiet. Perfekt! Maria Paula liess sich von der Idee anstecken und die Inlandflüge wurden umgehend gebucht ;) Als es losgehen sollte, wurde die Vorfreude jedoch jäh gebremst... Avianca strich unseren Abendflug aus bis heute nicht bekannten Gründen und stellte erst am nächsten Morgen ein Ersatzflugzeug zur Verfügung. Bingo! Die tumultartige Aufruhr konnte ich gut verstehen. Alles Aufregen brachte sowieso nichts - wir sassen allesamt am kürzeren Hebel. Immerhin wurde für Abendessen, Übernachtung und Frühstück gesorgt. So ging es dann eben erst am nächsten Tag los, dafür mit umso mehr Neugier. Und die Insel enttäuschte nicht - ein traumhafter Flecken auf Erden, voller kreolischer Lebensfreude, Musik, Fauna, Flora, definitiv Meer mit Badewannetemperatur, leckerem Essen... genau was ich mir wünschte! ;)😍 Die Sonne war uns zwar nicht durchgängig hold, aber tant pis. Ich inhalierte das Leben, jede Sekunde! Unglaublich erschien mir immer wieder die Farbenpracht des Meers, nicht von ungefähr nennen es die Einheimischen "El mar de los siete colores" - das Meer der sieben Farben:

Ja und auch diese Traumzeit neigte sich dem Ende zu und ich flog wieder zurück nach Bogotá, um mich auf die Heimreise vorzubereiten und vom Kontinent langsam aber sicher zu verabschieden. Das Gefühl war bei aller Vorfreude auf die Heimat beklemmend, ich nehme es auch jetzt während dem Schreiben wieder als eine Art Klammern in der Brust war. Aber ich wollte da durch. Irgendwie. Zuerst packte ich ein letztes Mal meinen 60L-Rucksack und bastelte mir ein Handgepäck für die heiklen Geschichten wie Instrumente, Geschenke etc. Von Abelardo und seiner Mama (ich durfte die ganze Zeit in ihrem "alten" Zimmer schlafen, da es sich im oberen Stock befand und sie aufgrund Kniebeschwerden nicht mehr gut Treppensteigen kann) verabschiedete ich mich mit einem Essenskorb und von Maria unter anderem mit einem peruanischen Alpaca-oder-wohl-eher-Baumwolle-Pulli (sie ist ein Gfrörli) - sie begleitete mich noch an den Flughafen. Tränen. Das wars. Der Flug verflog und ich landete 13 Stunden später via Frankfurt wieder in Zürich... der Landeanflug durch die so helvetischgrünen klotener Matten wirbelte mich zünftig auf. Wahnsinn!!! Details zur Ankunft folgen im nächsten Blog... hasta luego 👋🏻