Tja, und wie immer kommt es anders als man denkt. Aus meinen ursprünglich geplanten 2-3 Tagen Aufenthalt in San Pedro sind 10 geworden ;) Ok, der erste Tag darf nicht gezählt werden… wir (Tiphaine und ich) verbrachten ihn mehrheitlich im Bus von Uyuni nach San Pedro. Im Hostal angekommen buchten wir als erstes für den Sonntag einen Ausflug ins Valle de la Luna und freuten uns über die tolle Einrichtung der Unterkunft: Swimmingpool, bequeme Betten, Küche mit Aussicht auf die Bergkette, einigermassen anständiges Wi-Fi, freundliches Personal, zentrale Lage,… es fehlte an nichts! Der Collage zu liebe etwas vorweg: Am Ostersonntag gelang es mir dank Noelia's Spontanität und Unterstützung (mil gracias, Buni!) mich per Video-Call am Sonntagsbrunch meiner Familie in Bubikon einzuklinken. Ich genoss das frühmorgendliche (in Chile war es 6:30 Uhr) Osterfeeling sehr, schaute aus dem Fenster dem Sonnenaufgang zu und tütschte mit mir zur Feier zwei Eier ;) Die übrigen Brunchkomponenten (Mayo und Dulce de Leche aus Plastikbeuteln, gefüllte Schoggihasen (nogo!), Baguette anstatt Zopf, Instantkaffee) blitzten zwar gegenüber Schweizer Standards krass ab, aber für Wüstenverhältnisse wars 1A!!! Und bezüglich Brot darf ich wirklich nicht klagen, die Panchuteria in San Pedro lieferte täglich neue Baguettes, Normale, mit Feigen/Blaukäse, mit Nüssen/Dörrfrüchten, auch Croissants, Pains au Chocolat und sonstige Süss- und Salzgebäcke - ich bemühte mich, mindestens einmal pro Tag vorbeizugehen ;)

Der Ausflug ins Valle de la Luna (der Name hat trotz Suggestion nichts mit dem Mond zu tun, sondern wurde vor ca. 50 Jahren von einem belgischen Salzforscher vergeben) war eine ziemliche Massenveranstaltung, im Bus waren wir zu 20igst, an den Aussichtsstellen - leider für alle Busse die gleichen - jeweils gefühlte 200 Menschen. Die Salzwüste war trotzdem beeindruckend, der Gang durch eine alte Salzmine abenteuerlich, der Mondaufgang zwischen den Vulkanen spektakulär (fesselte mich mehr als der gleichzeitig stattfindende Sonnenuntergang 🙈) und der Guide - ich war wirklich beeindruckt, mit welchem Elan diese Guides die Touren immer wieder aufs Neue motiviert durchführen - peppte das Ganze zum Glück mit seinem locker-professionellen Charakter noch auf.

San Pedro de Atacama liegt auf 2'400 M.ü.M. und ist ein ca. 4000 Einwohner kleines, sehr auf den Tourismus ausgerichtetes Dörfchen am Rande der Atacamawüste im Nordosten Chiles:

Das Dorf liegt am Fusse des majestätischen Vulkans Licancabur - aufmerksamen Lesern mag auffallen, dass ich diese Beschreibung bereits im letzten Bericht verwendet habe ;) Ja, denn wir sahen den Vulkan einfach von der bolivianischen Seite her, über die "Laguna Verde" wachend. Und ich verschwieg im letzten Bericht, dass mich der Berg auf eine unerklärliche Art und Weise fesselte. Er lies mich seit der ersten Begegnung nicht mehr in Ruhe, brannte sich in die Hirnrinde ein und blitzte vor dem geistigen Auge während der ganzen Uyuni-Tour immer wieder auf! Und nun, als ich in San Pedro realisierte, wie nahe ich dem Koloss wieder bin, war der Fall für mich klar... ich muss da rauf! Das Konsultieren verschiedener Agencias zeigte: das ist gut möglich, es existieren Touren von San Pedro aus 😍💪🏻 Zeitgleich mit mir bekundete der 42-jährige Japaner "Hiroshi" sein Interesse an der Besteigung, wir erreichten also schon die für die Durchführung kritische Grenze von zwei Teilnehmern. Allerdings wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass der Vulkan ohne Vorbereitung / Akklimatisierung nicht empfohlen wird. Hiroshi meinte, er sei zwar schon auf 5200m gewesen letzte Woche, jedoch mit Jeep und maximal 30 Minuten zu Fuss unterwegs... das konnte ich auch bieten, zählte logischerweise aber nicht ;) uns wurde der benachbarte Vulkan Sairecabur empfohlen, zwar noch etwas höher, aber weniger anstrengend, so die Ankündigung. Wir verabredeten uns also für Dienstag, 6:00 Uhr. Mit auf die Tour kamen noch zwei Franzosen, Cyril und Vincent - zwei 37-jährige Väter, sowie der chilenische Guide Brian. Mit dem Jeep gings von San Pedro knapp 3000 Höhenmeter bergauf auf 5350m - es ist die höchstgelegene fahrbare Strasse Chiles. Wobei fahrbar, darüber lässt sich meines Erachtens streiten, eine Buckelpiste ist ein Dreck dagegen 🤢. Wir packten uns warm ein, montierten Steigeisen, atmeten tief durch und los gings. Nach ca. einem Drittel des Weges musste Hiroshi umkehren, er kam praktisch nicht mehr vom Fleck - eine Mischung aus Angst (es war sein erstes Mal mit Steigeisen in derart steilem Gelände) und Atemschwierigkeiten. Brian begleitete ihn bis in den flacheren Teil und wir drei zogen weiter bergaufwärts. Da es mir gottseidank am ringsten lief, marschierte ich voraus, Vincent direkt und Cyril mit etwas Abstand (er hatte am meisten Eigengewicht zu schleppen) hinterher. Wir schafften es in weiteren ca. 2h - total 3.5h - auf den Gipfel und erholten uns kaum vor Freude: unser erster 6000-er ;)💪🏻

Etwa 20 Minuten danach stiess auch noch Brian dazu und verteilte den langersehnten Gipfelimbiss ;) der Abstieg verlief problemlos, obwohl das felsig-eisig-schneebedeckte Terrain nicht nur ein Spaziergang war. Am meisten erstaunte mich, dass ich von all den "angedrohten" Höhen-Symptomen nichts spürte. Folgende Reihenfolge sei typisch: 1. Müdigkeit 2. Herzschlag im Hals 3. Kopfschmerzen 4. Übelkeit / Erbrechen Einziger Hinweis auf die Sauerstoffunterversorgung oder Schwefelüberdosis waren ein paar Lachkrämpfe... ich konnte mich wirklich nicht mehr halten, als Cyril im Tiefschnee ein paar Mal ausrutschte und wie ein Stein versank ;) Schadenfreude ist sonst nicht meine Spezialität. Auf jeden Fall war ich unglaublich dankbar für meinen Körper und meinen Geist, beide mussten zünftig kämpfen. Im Auto auf dem Rückweg liess Brian dann "Eye of the Tiger" laufen - es wurde unser Gipfelsong ;) leider bahnten sich auf der Fahrt dann doch noch starke Kopfschmerzen an, sodass ich zurück im Hostal um 20 Uhr nur noch ein Panadol einschmiss, ein isotonisches Getränk hinterher (hat mir Brian empfohlen), endlich wagte mein aus der Schweiz mitgetragenes Studentenfutter zu opfern und gute Nacht. Denn am nächsten Morgen um 7 Uhr ging es wieder los: Licancabur! 😳 Doch ich fühlte mich wieder bei Kräften und der erste Tag der Tour bestand auch nur aus Reisen (Fahrt auf die bolivianische Seite, der Aufstieg ist nur von da möglich, da Pinochet die chilenische Seite damals verminen liess :( ) und anschliessend Ruhen. Am Donnerstag dann der grosse Tag, Tagwache um 2:30 Uhr in der Früh, Start des Aufstiegs um 4 Uhr - ohne Stirnlampe, bei Vollmond und Wüstensternenhimmel. Der Wahnsinn! Der Weg war einiges einfacher als zwei Tage zuvor, doch der Höhenmeter doppelt so viele ;) einer nach dem andern stieg aus resp. musste umkehren, bereits nach dem Sonnenaufgang war klar, dass wir von den anfänglichen 12 Teilnehmern in 3 Gruppen nur noch zu dritt unterwegs Richtung Gipfel waren - der Spanier Luis, Hiroshi (er kämpfte wie ein Bär, aber tapfer) und ich. Es war etwas vom Anstrengendsten in meinem Leben, definitiv. Etwas nervig war der bolivianische Guide, der bereits 3 Stunden vor Erreichen des Gipfels immer wieder Floskeln repetierte wie "falta muy poco" (es fehlt sehr wenig), "solo 20 minutos", "ya es pan comido" (das Brot ist praktisch gegessen)... falls es eine Motivationstaktik hätte sein sollen, bei mir funktionierte sie nicht ;) Nach sieben Stunden erreichte ich den Gipfel - die andern beiden kamen im Abstand von je 15 Minuten nach - das Gefühl war schlicht unbeschreiblich: erschöpft, unendlich glücklich und einfach nur dankbar. Der Blick nach innen und aussen führte mir die Demut in Reinkultur vor Augen. Ich konnte nicht genug kriegen von der Rundumsicht, speziell schön war der tiefgrüne Kratersee (er kommt auf den Fotos etwas schlecht weg!). Doch der eisige Wind liess uns nicht gemütlich picknicken, nach ca. 45 Minuten gings wieser abwärts. Den Abstieg meisterten wir in drei Stunden, von den 1200 Höhenmetern konnten wir ca. 2/3 in leichtem Steingeröll abrutschen, ein Gefühl wie Inlineskating ;) und diesmal blieb ich ohne Kopfschmerzen. Was für ein Erlebnis, es wird mich für Jahre mit Energie versorgen! --> Hier das Video Am nächsten Tag setzte ich mich zur Erholung ab in die "Termas de Puritama", einer ca. 30-grädigen Flusslandschaft: Erholung pur!

In der Nacht auf Samstag soll es ein Erdbeben von 6.3 gegeben haben, aber ich verspürte nichts, vermutlich da mein lotteriges Kajüttenbett sowieso die ganze Nacht schon rüttelte ;) Am Tag wanderte ich auf Empfehlung von Luis in das "Valle de Jeré", einer kleinen Oase inmitten der Atacama-Wüste. Es war wirklich höchst berührend, wie sich die Erdspalte (=quebrada) immer weiter öffnete und Mutter Natur ihr mystisches Grün offenbarte, als Kontrast zur endlosen Wüste ausser- resp. oberhalb. Ich suchte mir ein ruhiges Plätzchen weit talaufwärts und genoss die vom Plätschern begleitete Ruhe, die Sonne, die Zeit mit mir. Auf dem Rückweg nach San Pedro wagte ich das erste Mal Autostöpplen ("hacer el dedo" = den Finger machen) und musste mich keine 3 Minuten gedulden, bis ich auf einem nahegelegenen Parkplatz eine Familie (Mama, Sohn und Tochter mit Kind) begeistern konnte, mich mitzunehmen - notabene ohne dedo ;) Am Abend besuchte ich noch eine Teleskopstation in der Wüste, wo während zwei Stunden ausführlich der gesamte Nachthimmel erklärt und erkundet wurde. Als kurz vor Schluss noch der Mond aufging, hatte ich das iPhone zum Glück bereit und konnte durch den Gucker ablichten.

Am Ostersonntag gönnte ich mir einen Ausflug zur "Laguna Escondida", der versteckten Laguna. Eigentlich waren es sieben Lagunen, keine Ahnung warum dieser Name 🤔 Die Teiche befinden sich inmitten der Atacamawüste und enthalten einen extrem hohen Gehalt and Salz und anderen Mineralien (nicht nur freundliche, denn man durfte max. 30 Minuten rein und sicher kein Wasser in die Augen kriegen), sodass ein Floating à la Totes Meer möglich ist. Es sollen gemäss einem Guide die einzigen zwei Orte auf der Erde sein mit solch hohem Salzgehalt. Das Gefühl ist bizarr, man kann schlicht nicht untergehen. Es gefiel mir super, einzig der streng getaktete Fahrplan ging mir etwas gegen den Strich!

Am Montag probierte ich Sandboarding aus, es ist praktisch identisch wie Snowboarden, nur dass auf der riesigen Düne der Skilift fehlt ;) im ganzen schaffte ich 7 Abfahrten, klingt nach nichts, ist aber Arbeit von 2 Stunden ;) ein Video meiner dritten Abfahrt gibts hier (ab Minute 3:23), es wurde noch besser mit der Zeit. Vor allem als ich etwas Wachs erhielt, um das Brett zu beschleunigen... der Sand war nämlich ein veritables Bremspflaster.

Zum Abschluss wollte ich nochmals einen Vulkan hochkraxeln, den Tumiza, einer der gemäss verschiedenen Guides schönsten Hügel in Sachen Aussicht auf Atacamawüste, Lagunen usw. Doch leider machte uns Aiolos - der Gott der Winde - einen Strich durch die Rechnung, es sollte mit über 100 km/h blasen auf dem Gipfel :(
So wurde der Ausflug am Vorabend noch abgesagt und es entwickelte sich tatsächlich der erste komplett bewölkte und sandsturmwindige Tag. Dies soll hier ca. 3-4 mal im Jahr vorkommen. Ich verbrachte meinen letzten Tag mit dem Dueño des Hostals und seiner Praktikantin (viel reden, putzen helfen, Wifi optimieren, gemeinsam einkaufen-kochen-essen, Reggae-Special auf Radio SRF3 hören zur Siesta, etwas Pingpong, zum Abschluss wünschten sie noch eine Rösti - ich gab mein Bestes ;)), zwei Luzernerinnen (sie checkten am Vorabend im Hostal ein, wir plauderten etwas und ich konnte beim Karten-auf-Spanisch-schreiben helfen) und mit der Vorbereitung des Blogeintrags ;) Das wärs gewesen aus San Pedro. Nicht vermissen werde ich die nächtlichen Bellkonzerte der hunderten von streunenden Hunden, die mit Dominoeffekt durch den Ort heulten - speziell intensiv war's während der Vollmondnacht! Und ebenfalls nicht fehlen wird mir der Sand & Staub in jeder Ritze und die aufgrund furztrockener Wüstenhöhenluft wie zu Roacutan-Zeiten nonstop ausgetrockneten Lippen, Nase und Haut. Nächster Halt "La Paz" mit einem Zwischenstopp in "Iquique" am Pazifik - eeendlich wieder Meer ;)
