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Tag 43 - 46 (Pantanal)

Schon mal vorab sorry für den vielen Text, aber ich hatte während einer langen Busfahrt von Quijarro nach Santa Cruz wieder Zeit zum Heuen und scheinbar auch ein Mitteilungsbedürfnis in Hochform ;) -------------------------------------------------------------


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Wie erwähnt lernte ich in Bonito den "abtrünnigen" Marcelo kennen: Er war ab seinem 14 Lebensjahr während 20 Jahren im Pantanal als Guide im Auftrag verschiedener Fazenda unterwegs. Dann führte ihn die Liebe für fünf Jahre nach Australien, womit seine Berufskollegen und Familie schwer zu kämpfen hatten. Und nun kehrte er mit Frau und zwei Söhnen (zwei- & dreijährig) wieder zurück, das Heimweh war zu stark und die junge Familie brauchte sowieso einen Tapetenwechsel, zu festgefahren waren sie im australischen Alltag. Er erzählte mir von seinem Traum, wieder als Führer im Pantanal arbeiten zu dürfen, jedoch nicht mehr in grossen Gruppen, sondern als Privatguide. Mir gefiel die Vorstellung, mir mein Programm selber zusammenstellen zu können, meinem Biorhythmus entsprechend, unabhängig von sturen Vorgaben und Launen anderer. Definitiv überzogen hat mich sein Slogan "Qualität vor Quantität" (gehört nebenbei zu meinen Lebensaufgaben ;)). Und er schien mir äusserst sympathisch, wir verstanden uns blendend. Und er spricht fliessend Englisch und Spanisch, war aber gewillt mich auch in meinem Portugiesisch zu unterstützen. Dream-Team würd ich meinen ;) Zu entscheiden war nun noch die Dauer, ich wählte auf verschiedene Empfehlungen hin vier Tage. Vamos lá! Mit einem Fläschchen hiesigem Mückenschutz und dem Rest mitgenommenem Antibrumm Forte bewaffnet, wagte ich mich also in das Sumpf-Vergnügen. Es soll durchaus ein paar Stechmücken haben, hiess es. Wie ich dann feststellen musste, sind diese Mücken nicht etwa gewerkschaftlich organisiert und stechen wie bei uns nur eine Stunde vor und nach Sonnenuntergang, nein, hier wird rund um die Uhr Blut gezapft. Hinzu kommt, dass es nicht etwa wenige dieser kleinen Vampire hat, sondern dermassen viele, dass man auf dem Dschungelspaziergang die eigene Kleidung nicht mehr sieht. Am Schlimmsten war es - logischerweise - jeweils nach den Regengüssen. Die Geräuschkulisse erinnerte mich an ein Formel-1-Rennen, etwas aus der Ferne horchend, auf der Zielgerade, wo die Motoren auf Höchsttouren heulen. Die einzig komplett sichere Variante wäre wohl ein Imkerkostüm, denn die Viehcher stechen auch durch Jeans und langärmelige Pullover hindurch. So hatte ich meine Abwehr stets optimiert: Beim ersten Ausflug noch mit T-Shirt unterwegs (es war immerhin auch noch 35 Grad heiss und gefühlte 200 Prozent feucht im Dickicht), war ich beim Letzten ganz eingepackt und mit Wedel ausgerüstet. Und natürlich eingesprayt. Antibrumm hat mich einiges mehr überzeugt unter diesen Extremumständen, es hielt auch trotz Schwitzen meist sein Versprechen! Aber eben, trotz höchster Vorsichtsstufe wurde ich oft bei lebendigem Leibe verspiesen... hier ein kleiner Scherenschnitt mit allen Arten von Stichen, vulkanartig süddernden Löchern und wie Mürbeteig verkrusteten Hügeln (zugegeben, es hat auch noch ältere Stiche dabei, aber alle sind aus Brasilien, Ehrenwort ;)):

Nun der Reihe nach unsere Erkundungstouren. Bzgl. Fotos: es fiel mir extrem schwer, die Auswahl collagetauglich zu reduzieren (die eine oben dient nur der Titelseite), so gibts diesmal gleich ein Fotoalbum. Die Chronologie sollte übereinstimmen. Kleiner Praxistipp: Ich empfehle, den Bildschirm aufzuteilen, auf der einen Seite den Text, auf der andern das Album :) 


Schon auf der Anfahrt liefen uns plötzlich mehrere Tengos (Echsen) über den Weg, eine hatte ich mit der Kamera erwischt.


Nach der Ankunft auf der Fazenda entdeckte ich gleich mehrere Haustiere: Zwei farbenfrohe Aras, Gänse, paar Schweine und einen Megaheugümper (erinnerte mich an eines der Men-in-Black-Aliens ;))


Kurz danach brachen wir zu Fuss gleich auf zur ersten Tour, vorbei an Sümpfen, Stachelbäumen mit extrem spitzigen Spitzen, Acurí-Palmenwäldern mit und ohne Fruchttrauben, direkt in den nächstgelegenen Busch. Vor dem Eintritt ahnte ich die Mosquito-Armee noch nicht und war noch guten Mutes ;) Drinnen kam ich vor lauter Abwehrfuchtelkampf nicht mehr zum Fotografieren, aber wir sahen ausser ein paar Macacos (Affen), Spinnen und Vögel auch nichts "Verrücktes". Bald verliessen wir den ersten Wald, um über eine Wiese durch mannshohes Gras in den Nächsten zu kommen. Ich schwitzte schon zünftig. Da fertigte Marcelo mir dann aus einem Acurí-Stil meinen Penacho (Wort stammt vom Federschopf der Indianer), mit welchem ich meine Verteidigung massiv effektiver gestalten konnte. Geniales Teil! Aus dem dichten Gebüsch sahen wir ausserhalb immer wieder bezaubernde Lichtspiele an den Bäumen, kommt auf dem Foto leider nicht so gut rüber. Später begegneten wir einer Jaguar-Spur (hatte etwa die Grösse meiner Hand, wenn ich die Finger beim ersten Gelenk von der Handfläche her umbiege) und die Abendstimmung auf dem Rückweg war genial.


Zurück auf der Fazenda wurde ich nochmal Zeuge der Mosquitozucht, bekam ein leckeres Essen, fotografierte ein paar Mückenstiche und ging früh zu Bett.


Tagwache war um 6:30 Uhr. Auf dem Weg zum Bootsausflug kreuzten wir ein Träumchen von einem Pilz. Auf dem Wasser sahen wir lange "nur" Vögel, Nester, faszinierende Spiegelbildereiner und eine Capivara (=Wasserschwein) Familie. Bis wir von weitem einen Jacaré (= Kaiman) in der Mitte des Flusses schwimmen sahen und Marcelo meinte: "Somethings not right here!" Je näher wir dem Jacaré kamen, desto mehr not right. Wir waren fest überzogen, den Jaguar (=Onça auf Portugiesisch), der das angerichtet hatte, noch aufzuspüren und fuhren weiter. Doch ausser Wurzelgewächsen, einem Storchenstart und einem kleinen Nervenkitzel mit einem Kaiman gabs an dem Morgen nicht mehr viel.


Zurück auf der Fazenda war ich erneut fasziniert von den beiden Aras. Die haben den ganzen Tag nur Flausen im Kopf, z.B. an der Hauswand den Verputz abpicken oder Acurí-Nüsse ins Wasser werfen... irgendwie sympathisch;)


Am Nachmittag stand Piranha-Fischen auf dem Programm. Tönt verrückt, ist es auch ;) die Köder (= Rindfleischstückchen) sind im Normalfall ca. 2-3 Sekunden nach dem Einwerfen schon spurlos verschwunden, ohne das man etwas davon mitbekommen würde. Es dauerte eine Weile, aber ich schaffte es auch noch, einen rauszuziehen. Im Ganzen waren's dann fast 10 Stück, wobei wir alle wieder reinwarfen. Sie waren noch zu jung, seien erst im August ausgewachsen. Es war ein top Erlebnis, vor allem auch mich von der Bissfähigkeit zu überzeugen ;) Das "Chlefele" der Zähne in den ersten Sekunden, in denen sie ausserhalb des Wassers sind, ist furchteinflössed. Zum Abendessen gabs tatsächlich auch Piranha, jemand anders ging noch fischen und warf nicht wieder rein. Ich probierte ein wenig, schmeckte lecker, wie ein Forellenfilet ;)


Am nächsten Morgen gings noch früher los (Wecker 5:45 Uhr, zuerst Safari mit Truck, danach wieder zu Fuss) und es lohnte sich: wir begegneten zwei eigentlich nachtaktiven Freunden! Zuerst einem Tamanduá (Nasenbär) - ist der nicht zum Anbeissen? - und danach einem Ozelot (Zwergleopard) - leider kein Foto vorhanden :( Für mich nicht zu fassen war, dass Marcelo den ganzen Weg barfuss und mit Mücken garniert absolvierte, aber es schien ihn nicht zu stören... die sitzen da einfach gerne aber stechen gar nicht, Frechheit! Besonderes Interesse hatte ich an der Schlingpflanze, welche die Acarí umwickelt und aussaugt, bis sie sich aufgelöst hat. An sich zwar kein edler Akt, hinterlässt aber fantastisch-bizarre Röhrengewächse.


Zurück in meinem Cuarto spürte ich einen neuen Mitbewohner auf im Badezimmer... er sieht gfürchiger aus, als er ist. Marcelo meinte sogar, den kenne man gut auf der Farm, er habe auch einen Namen: Alfredo ;)


Am Nachmittag begann es dann heftig zu schütten, sodass wir die erneute Bootstour nicht durchführen konnten... ich nutzte die Zeit für Postkarte (für Omi, sie hat kein Internet ;)), bisschen Tanzen und Musizieren. Und Selfies mit Aras 😂🙈


Am Abend gingen wir auf eine zweistündige Nachtsafari, aber bis auf einen Tucan von weitem, einer Schwetti Glühwürmchen ein paar Kaimanen haben wir nichts gesehen, trotz Leuchtturmhandlaterne. Zurück auf dem Hof hatte ich nochmals einen neuen Badezimmerbewohner entdeckt ;)


Am letzten Tag holten wir dann die Bootstour nach und begegneten nochmals ein paar Vögeln, Capivaras und Kaimanen. Fun fact: Wenn die Kaimane ihren Mund so offen in die Sonne halten, dient das dem Abtöten der kleinen Mölche zwischen den Zähnen - sie gehen sozusagen in die DH - und stellt nicht etwa eine Drohgebärde dar ;)


Wir begegneten nochmals unserem mittlerweile krass aufgeblähten und schon leicht zerfallenen Freund :(  that's wildlife! Und einem kreisenden Schwarm Assgeier, leider ohne das Geschehen darunter zu erhaschen. Ein Tucan hielt endlich auch noch still ;)


Zum Abschied gabs noch Mittagessen und ein Selfie mit Anika und Fabian, aus der Region Hamburg, die zeitgleich wie ich auf der Fazenda waren, mit mir alle ihre Erlebnisses austauschten, mit mir Pingpong und Yatzy spielten und zum Einschlafen "Die drei ???" hören ;) hab euch lieb, ihr beiden!


Tja, und so verliess ich den Pantanal bereits wieder. Die Gattung der "animais escondidos" ist leider weiter angewachsen ;) zu gerne hätte ich eine Anaconda einen Tapir hypnotisieren sehen wollen. Marcelo hatte mir ein paar packende Beispiele der Pirsch- und Tauchfähigkeit der Jaguare gezeigt, er ist ein absoluter Fan. Die immense Kraft ist wirklich extrem beeindruckend, sie sollen auch problemlos 200-300 kg schwere Kühe "abschleppen" können!


Marcelo fuhr mich dann zur nächsten Verkehrsachse, wo glücklicherweise gleich ein Bus in Richtung Corumbá fuhr. Von da gings zu Fuss über die Grenze nach Bolivien und nun bin ich - nach über einem Monat Brasilien - also doch wieder im spanischen Lateinamerika angekommen.

Un abrazo fuerte, Rapha Nachtrag zu Mücken

Ich habe eigentlich persönlich nichts gegen die Plagegeister, sie leisten sicherlich auch ihren Beitrag zum Ökosystem Mutter Erde... aber irgendwie habe einfach keine Lust mehr, als ihre Nahrungsquelle herzuhalten! Deshalb bin ich wirklich froh, bald in den Anden zu sein, denn ab 2000 M.ü.M. können die Lieben wegen fehlendem Luftdruck und tieferen Temperaturen praktisch nicht mehr leben, habe ich von Alois gelernt ;) 

 
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