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Tag 16-19 (Rio de Janeiro, bye bye Romina)

Ja, die Nacht war wirklich kurz... 3h Powernap (= exakt 2 REM-Zyklen, wunderbar... ein solcher dauert in der Regel 1.5h und man sollte ihn nach Möglichkeit nicht zerstückeln hab ich mal gelernt 😉) nach dem letzten Blogeintrag mussten reichen und so verliessen wir im Morgengrauen Foz do Iguazu in Richtung Rio. Da kann ich evtl. etwas Schlaf nachholen dachte ich - falsch gedacht, soviel vorneweg 🙈

Das Aufregendste am Flug - natürlich nebst dem Landeanflug über Rio mit Blick auf Christusstatue, Zuckerhut und Favelas - war der Boarding-Pass: irgendwelche Buchstaben und Ziffern auf ein hauchdünnes, sich praktisch von selbst vaporisierendes Migroskassenpapierfötzeli gedruckt, unglaublich - und wir kamen damit tatsächlich in den Flieger rein 😅 

Kaum angekommen spürten wir relativ schnell, was uns erwarten wird: der geplante Bustransfer vom Aeroporto zur Airbnb-Adresse sei nicht möglich, es verkehren wegen fem Carnaval nur wenige unregelmässige Linien, Taxi sei die einzige Lösung - wenn überhaupt. Dazu kam ein regnerisch gestimmter Petrus. Und zu wenig Schlaf. Und Hunger. Und der übliche Airbnb-Übergabe-Unsicherheitsfaktor. Ein etwas harziger Start also... aber es kam wie immer tiptop heraus. Das Taxi brachte uns - zwar etwas überteuert, wussten wir zu dem Zeitpunkt aber noch nicht :) - direkt vor die Haustür und nach kurzem Warten liess uns die Vermieterin Kelly - eine 40-jährige Carioca, so heissen in Rio Geborene und Aufgewachsene - rein. Sie entschuldigte sich für die 10 Minuten Stehenlassen: "I kind of expected you to be here that early, but I was trying to get the most out of my sleep." Carnaval's Schuld ;) Sie führte uns durch die Wohnung, kleiner Unterschied zu den bisherigen Airbnbs (und zum Video, der entstand zu einem späteren Zeitpunkt): wir waren nicht allein 🙈 in jeder Ecke lag noch jemand: im Schlafzimmer ihre Mama Wilma mit dem Büsi Elvis, im Nebenzimmer ihr Kollege Thiago, im Wohnzimmer auf der Couch der 49-jährige Spanier José, in einer "Besenkammer" der Californier Thomas, draussen in der Hängematte ihr Freund und die 25 Jahre alte Schildkröte Wilma (der Einfachheit halber taufte ich sie Wilma dois = 2 und ihre Mama Wilma uma = 1). Wir zogen sozusagen in eine Multikulti-Carnaval-WG ;)

Nach der Begrüssungsrunde und etwas Grobplanung der letzten gemeinsamen Tage wagten wir uns dann ins Getümmel: gleich vor dem Haus waren bereits ab 9 Uhr morgens mich sogleich fesselnde Sambaritmos zu erleben und kurz nach dem Mittag lief ein Bloco durch "unsere" Gassen - so heissen die guggenmusigartig organisierten Umzüge, welche ununterbrochen in ganz Rio stattfinden. Unsere Erkundungstour führte zuerst zu der "Escadaria Selarón", einer 215-stufigen, kunterbunte Treppe, welche der gleichnamige chilenische Künstler von 1990-2010 als Tribut für das brasilianische Volk gestaltete, inkl. Schweizer Kantonswappen;)

Etwa in der Mitte der Treppe begann es doch tatsächlich stark zu schütten (zu dem Zeitpunkt entstanden auch die beiden menschenleeren Bilder der Treppe, Normalzustand ist oben rechts ;)) und da wir Rio eigentlich mit Sonne planten, hatte es auch keine Pelerine ins Tagesrücksäckli geschafft... ein Verkaufsstandsonnenschirm für Romina und dichtes Mauergewächs für mich boten Abhilfe. Nach ca. 30 Minuten wars wieder vorbei. Wir wünschten uns noch etwas Sonne für die verbleibenden Tage - soviel im voraus: sie kam, und wie ;)

Den Rest des Tages schlenderten wir noch weiter durch das Zentrum von Rio (Centro, Santa Teresa, Lapa), wühlten uns durch die Mengen, kauften ein für Abendessen (anstehen an der Kasse in einem der wenigen, über Carnaval offenen Mercados: 45 Minuten!) und gingen früh zu Bett, um etwas Schlaf nach- bzw. vorzuholen - die nächste Nacht versprach erneut kurz zu werden 😅

Der Montag begann wiederum früh, Wecker um 7 Uhr, in der Hoffnung zu den Ersten zu gehören an der Copacabana... es gelang einigermassen, gefühlte 10'000 Leute waren zwar schon da, aber die Praia bieten mit ihren 4 km Länge ja genügend Platz ;) So fand ich zum ersten Mal seit der Ankunft in Südamerika den Weg ins eher kalte Meer. Der Himmel war bewölkt, aber das war gut so. Denn als sich gegen Mittag die Wolken verzogen, mussten wir die Sonnenanbeterübung abbrechen: die Hitze wurde richtig erdrückend, ohne Schatten unaushaltbar. So manövierten wir uns vorerst in kältere Gefielde wie Einkaufszentren oder Parks. Irgendwie aber schafften wir es doch, die beiden Strände Copacabana und Ipanema je einmal komplett zu Fuss zu durchqueren! Da kamen einige Kilometer zusammen, aber es war ein top Erlebnis:

Das unten rechts ist ein äusserst leckerer "queijo assado" (Grillkäse mit Oregano), welcher in einem portablen "Minikamingrill" vor dem Strandtuch live zubereitet wird. Oberhalb mein erster Caipirinha, Cachaça wurde ziemlich grosszügig verteilt ;) 

Wir machten uns zügig auf den Rückweg in die WG, um zu duschen, essen und uns karnevaltauglich anzuziehen... denn es stand das letzte gemeinsam geplante Highlight vor der Tür: der Sambódromo. Architektonisch kein Kunstwerk, aber während zwei Tagen im Jahr der Hexenkessel schlechthin. Der Zauber beginnt um 22 Uhr und endet um 7 Uhr am nächsten Morgen ;) insgesamt 6 Sambaschulen à je ca. 3'500 Personen defilieren während 1 - 1.5 Stunden durch den Kanal und TanzenSingenInszenieren (es hab einen Aladdin auf fliegendem Teppich, David Copperfield wäre hell begeistert gewesen!) um die Wette. Fussballfansektorstimmung. Die meisten Einheimischen können die extra für den Anlass komponierten Songs auswendig und singen lauthals mit. Für mich wars jeweils vor allem dann fesselnd, als die riiiesigen Rhythmussektionen anhielten und ihr Können zur Schau stellen. Impressionante! Am Ende des Carnavals erfolgt dann eine Preisverleihung. Wir hielten nicht ganz bis zum Schluss der Nacht durch, waren schlicht zu müde, aber immerhin 4 von 6 Schulen erlebten wir ;)

Nach 4 Stunden Schlaf nahmen wir noch den letzten Rio-Tag in Angriff. Es war der mit Abstand Heisseste, so bewegten wir uns möglichst entlang der Schattenzonen. Leider war praktisch alles geschlossen (Viaduktbähnli, Geschäfte, Einkaufszentren, Museen, ...), es war ja schliesslich der "Tag danach", wie etwa Güdisdienstag für die Luzerner. Die Antwort auf meine immer verzweifletere Frage nach den Öffnungszeiten war also meist: "tudo fechado" (tudu feschadu) ;)

Wir liessen uns nicht runterkriegen und fanden trotzdem noch schöne Flecken, v.a. ein toller Blick auf den Zuckerhut von Botafogo aus. Apropos: Besuche auf Zuckerhut und Cristo liessen wir nach einigen Diskussionen und Faktenanalyse weg, da sich Zeit und Kosten wohl kaum gelohnt hätten... beides sind Bilderbuchmassentourimagneten, Tickets können zum Teil nur noch online einen Tag im Voraus beschafft werden, die Anreise dauert lange, und und und... wir hatten den Stadtüberblick ja bereits aus dem Flugzeug erhalten ;)

Rio bleibt - obwohl an zwei Tagen alles rappelvoll und an einem alles geschlossen war - in super Erinnerung. Die Zeit war eher zu knapp bemessen, z.B. hätten wir noch Abstecher in die Favelas oder den Norden der Stadt machen wollen. Und mehr Strandzeit schadet auch nie 😅 auch würde ich vermutlich nicht mehr während dem Carnaval kommen, denn was ich nicht vermissen werde ist der Schlafmangel und der beissende Uringestank entlang praktisch aller Strassen in Rio ;)

Um Mitternacht brachten uns dann unser erster Nachtbus mit Liegebett nach São Paulo. Die Fahrt war angenehm, aber der Prozess am Busterminal von Ticketabholung bis und mit Busbesteigen eine absolute Zerreissprobe. Es gibt vermutlich keinen ungeschickteren Tag im Jahr für Busfahrten ab Rio... madre mia, ein heilloses Durcheinander, eine gefühlte Million Menschen mit zwei Millionen Koffern und drei Milliarden Stresshormonen. Aber auch das hatte irgendwie geklappt und wir sind mit einer Stunde Verspätung gottseidank abgefahren:

Ja und dann kam - unglaublich aber wahr - schon der Moment vom Tschüss-Sagen. Es war für mich wie befürchtet nicht ganz einfach, verbrachten wir doch gemeinsam geniale und intensive knapp drei Wochen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Dir Romina nochmals offiziell bedanken für den Willen, mich am Anfang meiner Reise zu begleiten. Ich hätte mir keinen besseren Start und keine bessere Reisepartnerin vorstellen können: obrigado do fundo do coração!

Nun geh ich zu Bett und Morgen beginnt die Reise irgendwie nochmals von Neuem - bin gespannt was passiert und wohin sie mich führt, ich halte euch auf dem Laufenden. 

Boa noite 😴

PS: Die Meisten aller bisherigen Collagen stammen aus Rominas Feder resp. Touchscreenfinger. Ich hoffe, ich werde sie ähnlich aussagekräftig und abwechslungsreich hinkriegen 😬

 
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